Dienstag, 24. März 2015

Phnom Penh, seine Straßen und Märkte (Teil 9)

Mein erster Eindruck von Phnom Penh, einer Stadt, der ich allein wegen des Namens schon immer einen Besuch abstatten wollte, war ein recht ernüchternder: Staubige Vororte, auffallend viel Müll und Dreck auf den Wegen, und je nach Stadtteil eine eigene penetrante Duftmarke, erbarmungsloses Manifest der Luft- und Umweltverschmutzung. Doch bei genauerem Hinsehen verspürt man ein gewisses Flair zwischen den nummerierten und rasterförmig angelegten Straßen, wo sich alle paar Meter entweder ein Restaurant mit westlichen Preisen findet oder aber ein Imbiss unter freiem Himmel. In einer gewöhnlichen Seitenstraße finden sich Reiseagenturen und Gästehäuser, kleine Ecksupermärkte und Gardinenläden, gleich neben zwielichtigen Bars und farbig ausgeleuchteten Bordellen. Auch gibt es in Phnom Penh mehr Obdachlose und Bettler als auf den bisherigen Stationen unserer Reise, doch man geht in der Regel respektvoll miteinander um: Der Wachmann, der auf seinem Plastikstuhl vor einer Bank den Nachtdienst antritt, hat Zeit für einen Plausch mit der obdachlosen Mutter, die an der Straßenecke gerade ihre drei Kinder in einem Verschlag aus Pappkartons und Moskitonetzen zur Ruhe gebettet hat. Da erscheint es noch surrealer, in einer amerikanischen Bar den Abend mit einem kühlen Bier ausklingen zu lassen, obwohl man sich auf eine sonderbare Art und Weise dennoch nicht fehl am Platze fühlt.

Wie überall ist man auch in Phnom Penh auf gnädige Tuk-Tuk-Fahrer oder zumindest gutes Schuhwerk angewiesen. Mopeds brausen umher und auch die eine oder andere Luxuskarosse, die sich wohl nur ein Staatsbediensteter leisten kann, parkt auf dem Bordstein.


In den 1970er Jahren litt Phnom Penh von alle Städten am meisten unter dem verheerenden Regiment der Roten Khmer (oder Khmer Rouge), der kommunistischen Bewegung unter ihrem Führer Pol Pot. Fast die gesamte Stadtbevölkerung wurde aufs Land verschleppt, tausende Menschen wurden in Internierungslagern ermordet. In Phnom Penh selbst litt neben den Menschen auch die Architektur unter den Kommunisten. Einer blutigen Kulturrevolution fielen vor allem Gebäude im französischen Kolonialstil und Tempel, aber auch Moscheen und Kirchen zum Opfer. Doch viele Relikte des Bauhaus und des Art déco sind erhalten geblieben, und manchmal lässt sich noch eine Ruine als verfallendes Erbe der Kolonialzeit identifizieren.


Die kambodschanische Hauptstadt liegt am Tonle Sap, einem aus dem gleichnamigen See gespeisten Fluss, in den heute aber viele Abwässer aus den Fabriken, die in Phnom Penh angesiedelt sind, geleitet werden. Die großen Textilproduktionen liegen nördlich und südlich des Stadtzentrums, am Flussufer im eigentlichen Stadtkern ermöglicht eine Promenade abendliche Spaziergänge, tagsüber bietet sie jedoch wenig Schatten.


Zur Tageszeit kann man den Königspalast gegenüber der Promenade besuchen, denn auch Kambodscha ist wie Thailand eine Monarchie. Auf der Suche nach den spärlichen (offen sichtbaren) Sehenswürdigkeiten der Stadt kommen sogar ganze Reisebusse hierher.


Nebenan steht das Wat Ounalom, ein durchschnittliches buddhistisches Kloster mit sorgfältig renovierten Gebäuden. Die Architektur ist nicht unbedingt außergewöhnlich, aber interessanterweise scheint die Tempelmauer ein ganzes Viertel einzuschließen. Dieses städtische Kloster muss einer Vielzahl von Mönchen und Novizen als Zuhause dienen.


Märkte gehören auf der ganzen Welt zu den wahren Attraktionen einer Stadt oder eines Dorfes, denn hier spielt sich das örtliche Leben für die Beobachtenden offensichtlich ab. Auf einem Markt wird normalerweise auch jede/-r Reisende fündig, sei er oder sie nun auf der Suche nach Souvenirs, reifen Mangos oder einfach nur einem Hauch exotischen Flairs. Und es gibt überall etwas zu essen…


An verschiedenen Orten der Stadt kann man auf Marktstraßen stoßen. Angrenzend an ein ostasiatisch geprägtes Viertel und umrahmt von chinesischen Goldhändlern liegt jedoch der große Zentralmarkt von Phnom Penh. Das riesige gelbe Art-déco-Gebäude wurde 1937 von den Franzosen auf einem trockengelegten Sumpf errichtet und beherbergt bis heute die unterschiedlichsten Geschäfte.


Direkt unter der großen Kuppel, die ein wenig an das Pantheon in Rom erinnert, werden Uhren, Schmuck und Silberwaren gehandelt. In den äußeren Bezirken des Gebäudes gibt es Textilien und billige Shirts, Räucherstäbchen und Porzellan, Gemüse und frischen Fisch. Sogar Hai kann man unter den Auslagen entdecken.


Kambodscha hat ein beachtliches Stück Küste und wird auch durch die Flüsse mit Fisch versorgt. Es ist also nicht verwunderlich, dass alle Arten von Seafood die Speisekarte um ein ordentliches Fischsortiment ergänzen. Auf dem Markt bekommt man das Abendessen noch lebend zu Gesicht.


Die Hygienestandards mögen andere sein als bei uns – was jedes Mal deutlich wird, wenn Fleisch ungekühlt an Haken unter der Decke hängt oder der einzige Widerstand gegen Keime und Insekten aus einem schwachen Ventilator mit Fliegenstreifen besteht. Doch auf dem Hauptmarkt bleibt nichts dem Zufall überlassen: Das kühlende Eis wird frisch angeliefert und rutscht als großer Block über eine Schiene zum Eisverkäufer, der es dann in handliche Stücke zerhackt und in Plastiktüten verpackt.


Man sollte Phnom Penh nicht unrechttun, indem man nur einen einzigen Tag bleibt und sich dann unbeeindruckt oder gar naserümpfend abwendet. Die Stadt bietet einen sicheren Hafen für Gourmets (so lange sie ausreichend Dollars in der Tasche haben) und stimmt nachdenklich, vor allem wenn man sich näher mit der Geschichte des Landes und seiner Leute beschäftigt. Eine Station auf unserer Rundreise waren auch die sogenannten Killing Fields außerhalb der Stadt, wo sich eines der Todeslager der Roten Khmer befand. Dorthin wollten wir einen Ausflug unternehmen, von dem ich in meinem nächstenBeitrag berichten werde.


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