Samstag, 30. Juni 2012

Cinema Jenin - Ein Traum wird Wirklichkeit


Am 28. Juni 2012 kam der Film „Cinema Jenin“ in die Kinos vieler deutscher Städte, darunter Berlin, Köln, München, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen. Dieses neueste Werk von Marcus Vetter präsentiert auf interessante, teils erheiternde, teils tragische Weise die Entwicklung einer Ruine zum kulturellen Mittelpunkt einer Stadt im Westjordanland.
Vetter war schon 2008 bekannt geworden, als er „Das Herz von Jenin“ in die deutschen Kinos brachte und die Geschichte eines Vaters erzählte, der seinen Sohn durch israelische Soldaten verlor. Doch er entschloss sich, dessen Organe zu spenden – an israelische Kinder. Für Ismail Khatib war dies der Weg, mit seiner Trauer umzugehen. Schon damals waren die Zuschauer tief berührt von Vetters Dokumentation, wurden zum Nachdenken angeregt.



Hinter dem Titel „Cinema Jenin“ verbirgt sich nun die Geschichte eines großen Projekts, das mit einer kleinen Idee angefangen hatte: Marcus Vetter will das Kino in Jenin wieder eröffnen, das seit Beginn der Ersten Intifada 1987 geschlossen war – und den Menschen damit etwas Gutes tun. Die letzten Jahrzehnte sind jedoch auch an dem ehemaligen Lichtspielhaus nicht spurlos vorübergegangen. Taubenkot bedeckt die Sitze, die Technik ist rostig geworden und verstaubt. Gemeinsam mit Ismal Khatib und seinem Übersetzer Fakhri Hamad geht der Tübinger Dokumentarfilmer das Projekt an und einigt sich mit den Besitzern des Gebäudes über Mietkosten und Finanzierungspläne. Er holt die Palästinensische Autonomiebehörde und das deutsche Konsulat mit ins Boot;  hunderte Freiwillige aus Deutschland, Palästina und anderen Ländern beteiligen sich an der Renovierung. Immer wieder gibt es Schwierigkeiten: Gerüchte machen die Runde, die Bevölkerung ist gespalten. Von rechtlicher Seite gibt es Einwände – das Gericht verurteilt den Dolmetscher zu 27 Schekeln Strafe, weil er das Team beherbergt und somit die Ruhe des Vermieters stört. Vetter, der deutsche Pragmatiker, und seine Mitstreiter lassen sich jedoch nicht abbringen von ihrem Vorhaben. Denn Jenin braucht dieses Kino. In der Stadt, die weitgehend isoliert ist von den anderen großen palästinensischen Städten, mangelt es an Freizeitmöglichkeiten und kulturellem Leben. Mit der Eröffnung des Kinos und der daran gekoppelten Ausbildungsstätte würde neue Farbe in die Stadt kommen.
Neben den Kritikern findet das Team jedoch auch zahlreiche Befürworter und Unterstützer. Der Mufti von Jenin lässt sich von der Idee begeistern. Während die Bauarbeiten laufen, kommt eine Delegation aus Brandenburg zu Besuch und bringt ihren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck mit. Hoher Besuch auf der Baustelle.
Am Ende geht alles gut über die Bühne. Das Cinema Jenin wird eröffnet, im Beisein vom palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad.

Der Film ist auf weiten Strecken äußerst erheiternd. Doch er beschreibt auch die Schwierigkeiten, die in den Palästinensergebieten herrschen. Lange Schlangen vor den Checkpoints der israelischen Besatzung, bürokratische Schwierigkeiten mit den palästinensischen Behörden und die alteingesessenen Besitzer des Kinogebäudes, die so viel wie möglich vom Kuchen abhaben wollen. Auch der Tod eines wichtigen Unterstützers des Projekts wird durch einen dramatischen Einschnitt vermerkt: Juliano Mer-Khamis wurde im April 2011 – neun Monate nach der Eröffnung des Kinos – vor seinem Haus in der palästinensischen Stadt von einem Unbekannten erschossen. Der israelisch-palästinensische Schauspieler und Regisseur schloss sich dem Projekt an und unterstützte Vetter in seiner Arbeit. Er war mit dem Freedom Theatre des Flüchtlingslagers Jenin bekannt geworden, das auf die Arbeit seiner Mutter Arna zurückging. Bei seinem Tod lief die Produktion des Films gerade auf Hochtouren.

Marcus Vetter hat den Verein Cinema Jenin e.V. gegründet. Heute sind 4 Mitarbeiter fest im Kino angestellt, es gibt einen kleinen Spielplatz im Garten der Cafeteria. Pro Tag werden zwei Filme gezeigt, die finanziellen Schwierigkeiten blieben jedoch erhalten. Nach dem Tod von Mer-Khamis mussten aus Sicherheitsgründen außerdem alle Volontäre aus Jenin abgezogen werden. – Mit seinem Dokumentarfilm zeigt Vetter eine andere, viel pragmatischere Seite des Nahostkonflikts. Er beschreibt die Komplikationen, die Resignation der Menschen, aber auch die Zuversicht. Und er sagt was er will: Normalisierung. Doch genau das ist es, was die meisten Politiker jeder Seite unter allen Umständen vermeiden möchten.
Mit seinem Film „Cinema Jenin“ würdigt er die Arbeit der vielen Helfer und setzt seine Serie von beeindruckenden Dokumentationen aus Israel und Palästina fort.

Weitere Informationen über das Projekt, den Macher und die Sadt Jenin finden Sie hier:

Marcus A. Vetter (Wikipedia)
Das Guesthouse des Kinos

Montag, 25. Juni 2012

Die Wasserfrage im Nahostkonflikt - Der Streit um ein knappes Gut


Nahostkonflikt

Israel und Palästina liegen in einer heißen Region mit vielen Sonnen- und wenigen Regentagen. Die Frage nach dem Wasser ist alltäglich im Nahen Osten. Sie wird auch dementsprechend heftig diskutiert und politisch wie propagandistisch ausgeschlachtet. Die große und ständig wachsende Bevölkerung bezieht ihr Wasser aus den verschiedenen natürlichen Reservoirs des Landes, von denen der See Genezareth im Norden des Landes das größte bildet.
Das Thema ist sehr komplex. Die Klärung der Fakten bietet einen kleinen Einblick in die Problematik.

Der Hausverbrauch an Trinkwasser lag in Israel bei etwa 84 Kubikmetern pro Kopf, in den Palästinensergebieten bei nur 58 Kubikmetern (2006).[1] – Woher kommt dieser doch deutliche Unterschied? Laut palästinensischen Angaben ist die israelische Besatzung für die Wasserknappheit und den niedrigen Verbrauch in den Palästinensergebieten verantwortlich. Siedlungen, Mauern und die Zerstörung der Infrastruktur werden als vom israelischen Staat ergriffene Maßnahmen gedeutet. Diese Erklärung greift jedoch deutlich zu kurz. Anders als von einigen palästinensischen Quellen dargestellt hat auch Israel Probleme mit der Wasserknappheit. Gegen zu hohen Verbrauch in heißen Sommern geht die Regierung mit Bußgeldern vor. Beim Erhalt von Grünflächen hilft man sich anderweitig: Im Sommer 2009 entschloss sich die Stadt Netanya, die wegen der Dürre ihre Grünflächen nicht mehr bewässern konnte, mit grüner Lebensmittelfarbe nachzuhelfen.[2] – Laut Haim Gvirtzman, Professor für Hydrologie an der Hebrew University in Jerusalem, ist vor allem der unterschiedliche Lebensstandard beider Gesellschaften für die große Diskrepanz verantwortlich, die beim Verbrauch sichtbar wurde. Dies könne durchaus auch innerhalb der israelischen Gesellschaft beobachtet werden: So sei der Verbrauch eines Jerusalemers (65 Kubikmeter Wasser) deutlich niedriger als der eines Einwohners von Tel Aviv (115 Kubikmeter Wasser).[3]
Weitere Daten weisen auf ein anderes Problem hin: Israel verliert 11 Prozent des Trinkwassers durch schadhafte Leitungen[4], die PA sogar ganze 33,6 Prozent[5]. In der Palästinensischen Autonomie könnte der relativ hohe Verlust an Trinkwasser also allein durch weitreichende Sanierungsmaßnahmen deutlich gelindert werden.
Verglichen mit den Nachbarstaaten werden noch weitere Unterschiede beim Wasserverbrauch sichtbar: Während der Frischwasserverbrauch pro Kopf und Jahr in Israel bei 150 Kubikmetern und in den Palästinensergebieten bei 140 Kubikmetern liegt, verbraucht ein Jordanier 172 Kubikmeter, ein Ägypter 732 Kubikmeter, ein Syrer 861 Kubikmeter und ein Libanese sogar 949 Kubikmeter![6] Vergleicht man also die Situation Israels und Palästinas mit der Lage der Nachbarn, so werden noch gravierendere Unterschiede deutlich, die vor allem auf den hohen Anteil von geklärtem und entsalztem Wasser zurückzuführen sind. Israel investiert eine Hohe Summe in die Aufbereitung von Abwasser, das dann zu 75 Prozent der Landwirtschaft zufließt. Während an das Wassernetz angeschlossene Israelis und Palästinenser normalerweise rund um die Uhr fließendes Wasser bekommen, haben die Einwohner von Amman oder anderen Hauptstädten des Öfteren mit Engpässen zu kämpfen.

In den Palästinensergebieten besteht gerade mit dem Abwasser ein großes Problem: Von 52 Millionen Kubikmetern Abwasser fließen ganze 34 Millionen Kubikmeter ungeklärt in die Umwelt ab. Und das geklärte Wasser wird kaum für die Landwirtschaft verwendet. Es mangelt an palästinensischen Kläranlagen, obwohl die Gelder von der EU und den USA durchaus bereitgestellt werden würden. Außerdem existieren für die jüdischen Siedlungen bereits Klärsysteme. Karin Leukefeld schrieb für die AG Friedensforschung: „Offenbar versuchen die Besatzungsbehörden, Druck auf die Palästinenser auszuüben, ihr Abwassersystem an israelische Kläranlagen anzuschließen, die auch die Abwässer der illegalen Siedlungen klärt. Die Palästinenser beharren auf einem eigenen Abwassersystem, denn ein Anschluss an die Kläranlagen der Besatzer würde einer Anerkennung der illegalen Besatzung gleichkommen.“[7]
Der Journalist Johannes Gerloff schreibt: „Wasser und Abwasser werden sich nie an kulturelle Empfindlichkeiten, politische Abmachungen oder Grenzen halten. Wasser richtet sein Verhalten immer nach der Schwerkraft, klimatischen, geografischen und geologischen Gegebenheiten. Deshalb werden Israelis und Palästinenser auch künftig nicht umhin kommen, in diesen Fragen zu kooperieren – ganz unabhängig von einer politischen Lösung.“[8] – Vielleicht wäre es hier hilfreich, die Kooperation (von beiden Seiten) stärker zu verfolgen, gerade was die Frage des ungeklärten Abwassers angeht. Es ist verständlich, dass die palästinensische Führung auf einem eigenen Abwassersystem beharrt. Andererseits könnte man jedoch die Tatsache in Erinnerung rufen, dass zu Beginn der israelischen Besatzung 1967 nur vier der 708 palästinensischen Städte und Dörfer überhaupt an das Wassernetz angeschlossen waren. In den ersten fünf Jahren der Besatzung wurde das palästinensische Netz um ganze 50 Prozent ausgebaut[9] – von Israel. Warum sollte beim Thema Abwasser eine Kooperation so schwierig sein?

Das Wasserproblem ist ein großer Hemmstein, auch für eine Friedenslösung. Anders als die Frage um eine Hauptstadt oder den Verlauf der Grenzen ist dieses Problem jedoch unmittelbar lebenswichtig und verlangt nach einer dringenden Lösung. Politische Interessen beider Seiten sowie der bürokratische Dschungel machen einen Kompromiss und ein gemeinsames Vorankommen schwierig.
Dass Israel noch andere Probleme mit dem Wasser hat, wird vor allem am israelisch-jordanischen Konflikt deutlich. Die Palästinenser sind in diesem Beispiel weniger betroffen. Lange Jahre bestimmte der Streit um das Wasser des Jordan die Tagesordnung. Als Grenzfluss wurde er von Israel, Jordanien und Syrien beansprucht als wichtige Lebensquelle. Die Gründe für eine lange Geschichte der Kompromisslosigkeit war weniger die Politik, sondern viel eher die Wirtschaft: Dreh- und Angelpunkt eines großen Teils der regionalen Wasserproblematik ist und bleibt die Landwirtschaft. Doch die Zahlen aus Israel und Jordanien sprechen für sich: Israel benötigt rund 70 Prozent des vorhandenen Wassers für die Landwirtschaft, Jordanien etwa zwei Drittel. In Israel erwirtschaftet dieser Wirtschaftszweig jedoch nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts! In Jordanien sind es 7,5 Prozent – in Relation zum Verbrauch auch hier kaum erwähnenswert. Beide Staaten sind kaum auf die Landwirtschaft angewiesen. Und doch ist die Bandbreite für eine Lösung gerade in diesem Sektor so schmal. Die Gründe liegen bei genauerem Hinsehen auf der Hand: Auf der israelischen Seite besteht eine starke Lobby der Landwirtschaft, die ihren Einfluss geltend macht. Hinzu kommt die fundamentale Bedeutung der Landwirtschaft für den Zionismus. War es Juden doch jahrhundertelang unmöglich, Land zu erwerben und zu bewirtschaften, so bot sich nun in Israel die Möglichkeit, sich niederzulassen und die Landwirtschaft in Form von Kibbutzim und agrarischen Siedlungen zum sprießen zu bringen. Mit den heutigen technischen Mitteln ließe sich der Wasserbedarf in Israel jedoch noch weiter senken. In Jordanien verhält es sich ähnlich wie mit den israelischen Interessengemeinschaften: Zwischen zehn und zwanzig Familien sitzen in den Agrarministerien und subventionieren die Landwirtschaft gezielt. Durch einen Kreislauf von Krediten und undurchsichtigen Geschäften wollen sie ihre Monopolstellung wahren.[10]

Wie man sieht, ist das Wasserproblem im Nahen Osten sehr vielschichtig. Während das Trinkwasser in Israel und den Palästinensergebieten effizienter genutzt wird als in den Nachbarländern, behält sich die Landwirtschaft einen großen Einfluss auf die Wassernutzung vor. Durch kaputte Leitungen und falsch investierte Gelder leidet die Infrastruktur der Wasserversorgung in den Palästinensergebieten. Durch illegal gebohrte Brunnen steigt das Risiko der Grundwasserversalzung. Es mangelt an funktionierenden (und richtig betriebenen) Klärwerken.
Eine Lösung der verflochtenen Konflikte wäre nicht so schwer wie vermutet. Die „Osloer Verträge“ – insbesondere der Vertrag von 1995 – betonen die Bedeutung der Kooperation auf dem Gebiet der Wassereinteilung. Die Grundlagen für ein gemeinsames Vorankommen existieren bereits. Notwendig ist einzig eine Unterbindung der Propagandaschlacht zwischen den sich immer weiter voneinander entfernenden Gesellschaften.

(Diesen Artikel finden Sie auch auf der Website der Friedensbewegung Rock of Peace!)



[1] H. Gvirtman: The Israeli-Palestinian Water Conflict: An Israeli Perspective (Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University, Januar 2012)
[2] Netanja passt sich an – Grüne Farbe für den Rasen (n-tv, 14.07.2009)
[3] H. Gvirtman: The Israeli-Palestinian Water Conflict: An Israeli Perspective (Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University, Januar 2012), S. 9
[4] Laut Haim Gvirtzman vom Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University.
[5] Water Supply Status (Palestinian Water Authority, 2007)
[6] J. Gerloff: Wasser ist Leben, in Israelreport (Ausgabe 3/2012, Christlicher Medienverbund KEP e.V.)
[7] K. Leukefeld: Israel verschärft Wasserkrieg (Junge Welt, 12.04.2010)
[8] J. Gerloff: Wasser ist Leben, in Israelreport (Ausgabe 3/2012, Christlicher Medienverbund KEP e.V.)
[9] ebd.
[10] Aus einer Studium Generale-Vorlesungsreihe von Prof. Dr. Peter Pastewka an der Eberhard Karls Universität in Tübingen.

Montag, 11. Juni 2012

Palästinenser und die Revolution - Ein Blick nach Syrien


Die Kämpfe in Syrien halten an. Und auch die palästinensische Bevölkerungsgruppe im Land gerät zwischen die Fronten. Die Baath-Partei von Präsident Bashar al-Assad hat ihre Unterstützung für den palästinensischen Widerstand gegen Israel lange also Pfeiler der Legitimierung in Syrien und der Arabischen Welt benutzt.
Innerhalb der palästinensischen Bewegung in Syrien tun sich Spaltungen auf. Die regimetreue PFLP-GC (Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando) hatte anlässlich des Naksa-Tages 2011 hunderten Palästinensern aus der Umgebung von Damaskus geholfen, zur israelischen Grenze zu gelangen. An diesem Tag gedenken die palästinensischen Flüchtlinge der israelischen Besatzung der Golanhöhen. Unter der Leitung der PFLP-GC stürmten die Demonstranten die Grenzanlagen. Es starben 20 Palästinenser. Als am nächsten Tag die Toten bestattet wurden, begannen sich Proteste zu regen. Das PFLP-GC reagierte mit Schüssen auf die Demonstrierenden. Erneut starben 11 Menschen. „Seitdem hat sich alles geändert“, erklärt ein Bewohner eines palästinensischen Flüchtlingslagers. „Wir waren so wütend. Jeder wusste, was die PFLP-GC und das Regime gerade taten. Doch wir werden nicht mehr zulassen, dass sie unser Blut für ihre eigenen Politik vergießen.“ Die palästinensischen Syrer beginnen im Rahmen der Revolution Farbe zu bekennen. „Die syrischen Palästinenser leben wie Syrer – und wir betrachten unsere Situation als dieselbe wie die der Syrer“, sagt Kamal Hussein, ein A-Hayat-Journalist und Aktivist. Ein weiterer palästinensischer Aktivist in Syrien erzählte dem Daily Star:„Als ich diese Familien sah, die fliehen mussten mit nichts als den eigenen Kleidern, die sie auf dem Leib trugen, habe ich realisiert, wie sich meine Großeltern gefühlt hatten, als sie 1948 Palästina verließen… Ich fühlte mich gleichermaßen palästinensisch und syrisch.“
Doch es bleibt auch die Angst vor einem „neuen Irak“, dem vollkommenen Chaos. Und auch eine andere Sache wirkt bedrohlich auf die Menschen: Im Jahre 2006 flohen eintausend Palästinenser aus dem Irak – nur um von den Nachbarstaaten nicht eingelassen zu werden. Sie wurden auf einem Streifen Niemandsland isoliert.
Allen Ängsten zum Trotz identifizieren sich mittlerweile fast 90% der Palästinenser in Syrien  mit der Revolution, spekulieren Journalisten und Beobachter. Die Kämpfe gehen unterdessen weiter.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Mitternachtssnack für einen Akademiker

"An einem späten Mittwochabend machte ich mich auf, um auf einem nächtlichen Spaziergang über das Leben und die Zusammenhänge des Universums zu philosophieren. Als Ziel setzte ich mir jene wunderbare Institution der Fast-Food-Kultur, die auch zu später Stunde noch Burger feilbietet. Es ist nicht so, dass mich der Hunger quälte, doch war der Tag aus kulinarischer Sicht wenig ergiebig - was ungewöhnlich ist, denn normalerweise verlange ich jedem Tag ein gewisses Maß an qualitativer und vor allem quantitativer Kulinarik ab.
Wie dem auch sei, ein kleiner Spaziergang verbrennt Fett. Und da der nächste McDonald's nicht um die Ecke lag, musste ich die Stadt durchqueren, was ich auch fröhlichen Fußes tat. Ein Kilometer, zwei Kilometer - das Volk um mich herum wurde zusehends angeheiterter. Der Pegel stieg. Die Altstadt passierend überwand ich den geographischen Höhepunkt jenes Pegels. Bekannte Gesichter kreuzten meinen Weg. Ich überquerte den Neckar und wandte mich in Richtung Osten. Hier und da ging es vorbei an weiteren Menschenansammlungen, die den Abend vor einem Feiertag nutzen wollten, um noch einmal so richtig die Sau rauszulassen. Es könnte ja morgen schon zu Ende sein mit unserer schönen Welt.
Ich wollte heute jedoch nur einen Cheeseburger.
Beim Restaurant zur Goldenen Möwe angekommen reihte ich mich sogleich ein in die Schlange der Hungrigen. Jetzt war diese Warteschlange keineswegs eine lebendige oder bewegliche Angelegenheit, sondern eher ein statisches Konstrukt. Man merkte gleich, dass die Leute hinter der Theke keine Gelernten waren. Für einen 'Fachmann für Systemgastronomie' war er einfach zu langsam, der Gute. Ich stand und stand, die Menschen um mich herum standen ebenfalls.
Ich wollte doch nur zwei Cheeseburger.
Meine Füße wurden eins mit dem frisch gewischten Fußboden. Wahrscheinlich hat das ganze einen tieferen Sinn. Man will jedem Kunden einen Sitzplatz bieten - der hiesige McDonald's ist um jede Tages- oder Nachtzeit sehr stark frequentiert - und lässt die Neuankömmlinge deshalb so lange in der Schlange stehen, bis andere Besucher ihr Mahl geendigt haben und den Ausgang anstreben. Auf diese Weise warteten wir.
Die Uhr stand unterdessen nicht still. Sogar das Datum hatte sich schon geändert.
Dabei wollte ich doch nur endlich meine drei Cheesburger kaufen.
Irgendwie wendete sich doch noch alles zum Guten und ich konnte den Nachhauseweg antreten. Zurück durch die Innenstadt, schloss ich mich alsbald dem Strom der 'Früh-nach-Hause-Geher' an, die zufällig in die gleiche Richtung torkelten, in die auch ich musste. Der Weg zog sich. Für die weniger Sportlichen unter uns - zu denen ich auch zähle - ist ein unerwarteter nächtlicher Spaziergang von acht Kilometern durchaus in den Beinen spürbar. Und so kam es, dass schließlich auch ich schwachen Beines den gewohnten Weg nach Hause torkelte."

Manchmal schreibt das Leben schon Geschichten. Ob man diese Geschichten nun aufschreiben sollte, steht auf einem anderen Blatt. Naja, wer weiß. Vielleicht wird sowas in hundert Jahren zur großen Literatur des angehenden 21. Jahrhunderts gezählt...^^

Dienstag, 5. Juni 2012

Cold War Isn't Over

Eine neue U-Boot-Lieferung aus Deutschland ist in Israel eingetroffen. Es ist natürlich kein Wunder, dass der Spiegel unmittelbar danach von einer atomaren Bewaffnung spricht. Die Atomraketen seien schon angebracht worden. - Ob an diesen Medienberichten etwas dran ist, kann zurzeit keiner mit Sicherheit bestätigen.

In diesem Beitrag möchte ich aber weniger auf Israel eingehen und eine große Sache auf ein kleines Land projizieren. Denn es geht auch im 21. Jahrhundert nur um das eine: Macht. Und um diese Macht zu bekommen, braucht man Waffen. Waffen anzuschaffen kostet, Waffen zu verkaufen bringt Geld. Das war nie anders. Und so schnell wird es sich wohl auch nicht ändern.
Schade ist nur, dass in den Medien geradezu auf Waffenlieferungen nach Israel gewartet wird. Denn mit der Diskussion um Israel hat man ein sicheres Territorium erreicht. Die deutsche Regierung beruft sich auf ihre Staatsräson, der Rest der Bevölkerung beruft sich auf Günther Grass. Beide Positionen sind äußerst schwammig und lassen einer etwaigen Diskussionsrunde keinen Weg, sich Gehör zu verschaffen. Man fetzt sich ein bisschen, kommt zu keinem Schluss, und schließlich bleibt alles beim alten.
Und doch hat man es geschafft, in diesem ganzen kontroversen Aneinander-vorbei-Reden über eine Tatsache hinwegzutäuschen: 
Nicht Israel oder der Iran sind das Problem.
Das wahre Problem ist noch eine Ebene höher als die Außenpolitik eines oder mehrerer Länder. Es geht um das Prinzip "Rüstung", in dem wir im 21. Jahrhundert immer noch leben. Nach all den Jahrzehnten des Aufarbeitens von Völkermorden und Kriegen, dem Durchleben von Wirtschaftskrisen und dem immer wiederkehrenden Neuanfang hat es die Welt - und vor allem die westliche Welt - noch immer nicht geschafft, mehr auf das Reden zu setzen als auf das Rüsten. Und bei genauerem Hinsehen wird überdies deutlich, dass sich seit dem Kalten Krieg wenig geändert hat in den Köpfen der Regierenden, egal welcher Partei oder Nation.

Es ist das alte Lied geblieben. Seit dem 11. September 2001 wurden wir zudem noch um ein weiteres Problem bereichert: den internationalen Terrorismus. Eigentlich dachte man, dass Al-Qaida nun "den Russen" als Feindbild abgelöst hätte. Aber so einfach ist das ja alles nicht. 
Erst im Mai 2012 hat Russland gegen den NATO-Rakenetschutzschild protestiert und notfalls mit einem "Erstschlag" gedroht. Der steinerne Putin liebt Väterchen Russland über alles und deswegen lässt er nicht zu, dass irgendwer in seine Richtung rüstet.
Okay, die Russen eben, könnte man sagen. Aber das wäre pure Heuchelei. Anfeindungen und Machtdemonstrationen sind selten einseitig. Der Westen hat sich schon 2008 von seiner noblen Seite gezeigt, als man in den öffentlich-rechtlichen Medien einen Angriffskrieg Russlands gegen Georgien propagierte. Die Sache war klar: Der alte Rivale Russland will seine ehemaligen Sowjetrepubliken wiederhaben. - Mittlerweile kann als erwiesen festgehalten werden, dass Georgien den Konflikt begann und zuerst mit seinen Truppen in Südossetien einmarschierte. Im westlichen Fernsehen behauptete man Gegenteiliges. Man ging sogar so weit, ein Interview mit dem russischen Präsidenten Putin so zurechtzuschneiden, dass er dort quasi den Angriff Russlands zugab. Wie kann so etwas in Deutschland möglich sein, noch dazu zu Beginn des 21. Jahrhunderts?

Für was brauchen wir einen Raketenschutzschild gegen Russland? Und selbst wenn er nicht gegen Russland gerichtet wäre, gegen wen dann? Den Iran?
Anstatt aufzurüsten könnte man an einer diplomatischen Präventivlösung gegen etwaige Angriffsbestrebungen arbeiten. Aber das würde uns bei weitem nicht den Umsatz bescheren, den wir mit der Waffenproduktion erreichen können...

Wer hinter die Kulissen blickt entdeckt, dass wir noch lange nicht die Form der Gesellschaft, des politischen Systems oder der Demokratie erreicht haben, die wir für erstrebenswert erachten. Noch immer sind wir einer der größten Waffenlieferanten der Welt. Im Klartext. Es tut unserem Staatshaushalt und unseren Arbeitslosenzahlen gut, wenn irgendwo in Afrika Menschen massakriert werden.
Ein anderes Beispiel wäre Griechenland. Dort gibt es überdurchschnittlich viele Panzer. Der einzige ernstzunehmende Gegner der Hellenen wäre die Türkei. Setzt man hier also weniger auf Verhandlungen, Vertrauen und Sicherheit durch Partnerschaft als auf Aufrüstung? Und außerdem: Wieso spart Griechenland nicht bei der Rüstung, wo sie doch in so einer tiefen Schuldenkrise stecken?
Ach ja: Woher kommen die meisten Panzer der Griechen? Aus Deutschland.
Und wer dominiert zur Zeit die gesamte EU-Sparpolitik? Deutschland.

Ja ja, wir Deutschen... wir sind schon ziemliche Schlawiner.

Uns gaukelt man von oben noch immer vor, die EU stehe für europäische Einheit. Die Realität zeigt uns aber, dass die EU nur so lange Bestand haben wird, wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit für die führenden Länder ihre Früchte trägt. Einheit hätte auch mit Vertrauen und Nachhaltigkeit zu tun. Stattdessen rüstet man in jede Richtung, stellt sich selbst als Wertegemeinschaft dar und schottet sich gegen illegale Einwanderer ab, die nur hierher kommen wollen, weil ein europäisches Huhn auf dem Markt in Kamerun billiger ist als ein kamerunisches.
Die EU funktioniert so gut, dass nun nach Dänemark auch Polen seine Grenzen wieder kontrollieren will.
Was treibt eigentlich dieser Orbán zur Zeit? Hat man die Pressefreiheit mittlerweile wieder hergestellt? Hmm, muss ich bei Gelegenheit mal googeln. 

Und wieso wird es immer so dargestellt, als würden wir Deutschen unsere U-Boote (um wieder auf die Ausgangsfragestellung zurückzukommen) kostenlos nach Israel verschiffen? Die bezahlen dafür schließlich einen Haufen Geld und kurbeln unsere Wirtschaft an. Und das war noch nie anders. Diese ganze "Wiedergutmachung" hat uns im letzten halben Jahrhundert mehr Möglichkeiten geboten, uns wirtschaftlich zu entfalten, als es irgend etwas wieder gut gemacht hätte.
Und um das geht es ja auch nicht. Es geht um Macht. Und zwar für alle Beteiligten. Auch der Iran hat seine Technologien von irgendwoher. Ob jetzt die USA oder Russland, das spielt keine Rolle. Auch die Kämpfer von Al-Qaida wurden (damals noch als afghanische Mujahedeen) für den Kampf gegen die Sowjets von den USA ausgerüstet.
Es geht nicht mehr darum, wer wen bekämpft. Es geht darum, dass überhaupt wer kämpft.

Das schlimmste ist, dass hinter dieser ganzen Sache nicht einmal irgendwer steckt. Das alles sind nur Abläufe und Automatismen. Es gibt keine Verschwörungen oder führende Köpfe, die am Krieg verdienen. Denn verdienen tun wir im Endeffekt alle...

Montag, 4. Juni 2012

Dein Bart für Jürgen Klopp


Eine der verwirrendsten Aktionen, über die ich durch das Fernsehen seit langem informiert wurde: Jürgen Klopp fordert zur Bärtigkeit auf!

Jetzt ist angestrengtes Nachdenken gefragt. Was zum Teufel hat diese Aktion zu bedeuten? Ist das eine Zwangsmaßnahme des Deutschen Bundestages, die derzeit in den Medien rauf und runter diskutierten Salafisten zu integrieren? Etwas Geheimnisvolles, Unberechenbares, Verschwörerisches hat es ja schon, das leise Zunicken und Sich-durch-Bart-zu-Erkennen-Geben, wie es in der Fernsehwerbung so schön propagiert wird. Man lässt seinen Bart wachsen - für Deutschland. Ich persönlich tue vielleicht einige Dinge für Deutschland, wenn es sein muss, aber meinen Bart lasse ich ohne nationale Begründung stehen. Der war schon da, bevor Klopp überhaupt daran gedacht hat, mit diesem Slogan vor die Kamera zu treten.

Fußball - Bärte - National!

Oder steckt doch etwas anderes dahinter? Bei genauerem Hinsehen merkt man, dass sich das Ganze um einen Werbegag von Philips handelt. Weder mit Fußball noch mit Deutschland hat das was zu tun. Es geht um die moderne Grundausstattung des modernen Mannes: Haarschneider, Body-Groomer und Bart-Styler. Und Klopp hat das perfekte Gesicht für die Marke Philips.
Interessant... auf was für Ideen man doch kommt.

Marina Weisband, die ehemalige Chefin der Piraten, postet auf Facebook: "Ich rufe zur Aktion auf: 'Dein Bart gegen sporadischen PR-Nationalismus!' Jetzt könnt Ihr eure Bärte beruhigt stehen lassen. Problem gelöst."
Wie man sieht, auch in der Politik wird über Bärte und Werte, über "national" und "nicht normal" diskutiert. Sehr erfrischend.

Fazit: Diese Aktion wirkt auf mich gleichermaßen gerissen, kreativ - und bekloppt.

Freitag, 1. Juni 2012

Ich möchte hier noch schnell auf die Website (m)einer neuen Friedensbewegung hinweisen:

"Rock of Peace" hat jetzt eine offizielle Webpräsenz!

www.rock-of-peace.de

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