Donnerstag, 22. Dezember 2011

Die Chancen des Winters

Draußen regnet es. Der erste Schnee ist schon wieder weggetaut, übriggeblieben ist nur eine Matsche ungekannten Ausmaßes, eine Mischung aus Streusalz und Wasser, grau und von zweifelhafter Konsistenz. Aber auch die wird bald dahingeschmolzen sein und in Bächen die Straße hinunterfließen.
Der erste Schnee hat wie so oft zu einem Chaos unerwarteten Ausmaßes geführt. Lange war es zu warm. Der Herbst war nicht herbstlich genug. Nun kam der Winter in seiner ganzen Härte, mit – Schnee. Wer hat das ahnen können? Die Busse mussten ihre Routen ändern, manche Linien fielen ganz aus. Der Räumdienst hatte mal wieder vergessen, wo er die Schlüssel der Streusalzvorratshalle mit den Streusalzvorräten hinverlegt hatte.
Der typisch deutsche Nörgler hat wieder Hochkonjunktur. Wie kann es angehen, dass der Nahverkehr Probleme bekommt mit einer saisonalen Wetterlage? Wie kann es sein, dass es im Winter schneit?? Und überhaupt, wer hat so etwas Ungeheuerliches wie das „Klima“ erfunden??? Fragen, die man sich stellt – Jahr für Jahr.

Diese ganze Problematik ist mir bis heute schleierhaft geblieben und ich hoffe, es bleibt auch weiterhin so. Wenn man aus einer Wetterlage einen Weltuntergang machen kann, dann muss es doch auch möglich sein, das Ganze ins Gegenteil umzukehren.
Denn gibt es etwas Inspirierenderes als einen Schneesturm? Er erinnert uns daran, dass wir auch nur Menschen sind. Und wenn uns der Himmel einmal statt dicken Flocken feinen Nieselregen beschert, dann ist das trotzdem kein Grund zur Verzweiflung. Warum sehen wir nicht auch im Regen die Schönheit der Natur oder in einem Gewitter die Wunder der Schöpfung?

Und gerade wenn es in einem viel zu warmen Dezember auch mal regnet, sollten wir hinausgehen und nass werden, nur aus dem einzigen Grund, in ein warmes Zimmer heimkehren zu können und dann froh zu sein, sich wieder auf die sichere Seite des Abends geflüchtet zu haben. Je schrecklicher das Wetter ist, desto wärmer sind die Gedanken, wenn man draußen durch den Matsch stapft.

Der Winter macht depressiv, heißt es. Es wird spät hell, es wird früh dunkel. – Doch was sagt uns das? Bedeutet ein garstiger, kalter Dezemberabend, dass wir uns in die Betten verkriechen sollen? Oder will uns Väterchen Frost nicht vielmehr dazu auffordern, eine Kerze anzuzünden und eine Flasche guten schwäbischen Weins in kleiner, gemütlicher Runde aufzumachen?

Ich genieße den Winter. Man muss die Eiseskälte, wenn sie nunmal da ist, einfach positiv sehen: Wann hat man schon einmal eine so klare Luft geatmet? Sie mag kalt sein, aber sie reinigt die Lunge - solange sich dieselbe nicht entzündet und man zu wochenlanger Bettruhe und Fencheltee verdonnert ist. – Der Winter erinnert uns daran, wie schön sonnig der Sommer war.

Wo ist die ganze Schlittenfahrt-Romantik des Winters hin? In unserer stressigen (und gestressten) Welt denken wir zu wenig an Eiszapfen und Schneemänner. Klirrende Kälte lässt unsere Ohren nicht nur kalt werden, sondern macht sie auch wieder hellhörig für die Klänge des Winters. Selbst wenn man sich nur einbildet, die Schneeflocken fallen zu hören, kommt die Seele auf andere Gedanken. Stress im Job, Prüfungsstress, Alltagsprobleme – sie lösen sich nicht mit einem Spaziergang im Schnee, aber sie werden dadurch zumindest weiß angepinselt.
Nicht umsonst fällt Weihnachten in die Winterszeit. Glühwein und heiße Schokolade, Lebkuchen und Spekulatius – das alles passt nur in die Kulisse einer verschneiten Landschaft, unter die schneebedeckten Dächer von Fachwerkhäusern, mit geschmückten Balkonen.

Der Winter bietet uns die Kaminfeuer-Romantik, die wir das ganze Jahr lang suchen. Das Weihnachtsfest ist die Gelegenheit, sich auf Dinge zu besinnen, für die man bisher noch keine Zeit gefunden hat. Wir müssen die Chance, die uns der Winter gibt, nur nutzen.

Und damit wünsche ich meinen Lesern besinnliche und gesegnete Weihnachten sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr und verabschiede mich in die Ferien.

(Un)Besinnliches

Kurz vor Heiligabend kann man sich ein letztes Mal der Frage widmen, ob man von der diesjährigen besinnlichen Adventszeit auch genug abbekommen hat – an Glühwein, Knabbergebäck und eventuellen Schnäppchen, die es zu machen gegeben hätte.
Die Welt der Weihnachtsmärkte – hier findet man alles, was das Herz begehrt. Und auch alles, was man seinen Lieben zum Fest schenken kann, das dann aber meistens das ganze Jahr im Keller steht. Für kleine Holznikoläuse, Räuchermännchen, Glühweinbowlen und Strohsterne interessiert man sich eigentlich nur bis Anfang Januar. Danach stellt man die weihnachtlichen Accessoires weit weg; dorthin, wo man sie nicht zu sehen braucht.
Doch Weihnachtsmärkte bieten auch ein wunderbares Ausflugsziel für Terroristen und psychisch gestörte Hobbychemiker. Ist da nicht tatsächlich in Berlin einer rumgelaufen und hat jungen Menschen vergifteten Glühwein angedreht? Für umsonst! Dutzende Weihnachtsmarktbesucher lagen danach hochtoxisch im Krankenhaus. Und wenn sich jetzt irgendein armer Kerl da draußen fragt, warum sich kein Mädel von ihm auf ein heißes Glas Glühwein einladen lässt: DIESER Mann ist schuld! – Danke auch.
Ach ja, die Welt ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Angenehm war da doch letztes Jahr die Terrorwarnung. Es bestand zwar zu keiner Zeit Gefahr, aber man warnte erst einmal aus Vorsicht. Um den Konsumdrang der Menschen zu beschleunigen. „Wir lassen uns doch nicht unterkriegen!“ oder „Jetzt gehen wir erst Recht auf den Weihnachtsmarkt!“ – und kaufen deswegen munter weiter, nur etwas schneller und unbesinnlicher, falls doch was passiert. Sehr hilfreich war es da, dass zwei Tage nach der Terrorwarnung von 2010 im staatlichen deutschen Fernsehen ein Film gezeigt wurde, in dem die couragierte Ivonne Catterfeld ihre entführte Tochter aus dem Sudan befreit, aus den Klauen ihres islamisierten Mannes, der sich daraufhin in Hannover auf dem Weihnachtsmarkt in die Luft sprengen wollte. Warum genau er diesen Plan gefasst hatte, war nicht ersichtlich. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war nur, dass Normalbürger Otto und seine Hilde in der Glotze zu sehen bekamen, warum eine Terrorwarnung immer begründet ist. Weil das deutsche Fernsehen so gute Filme macht.
Nun gut, seit diesem Jahr wissen wir nun, dass es nicht nur islamistischen Terror in Deutschland gibt. Zugegeben, so richtig gab’s den hier bis jetzt auch nie. Meistens waren die betroffenen Terroristen zu dämlich, manchmal war der Verfassungsschutz auch schneller. Also, trinken wir auf den Verfassungsschutz! – Okay, wir senken die Tassen wieder, denn dieses Jahr wurden wir Zeugen davon, wie nützlich die hunderte von V-Leuten in der rechten Szene sind: Nämlich gar nicht. Terroristen müssen sich erst selbst erschießen und einen Wohnwagen in Brand setzen, dass man da genauer nachhakt. Und dann merkt man unter Umständen, was man schon vor zehn Jahren hätte merken können: Braun stinkt zwar, ist aber noch lange nicht tot.
Zugegeben, in diesen Tagen ist es trotzdem nicht einfach, Terrorist zu sein. Neben den besinnlichen Weihnachtsmärkten mit ihrem vergifteten Glühwein sind auch Bahnhöfe ein hervorragendes Ziel für eventuelle Anschläge. Und vor allem der Bahnhof in Stuttgart… Neben Islamisten und Nazis könnten hier auch Stuttgart21-Gegner aktive werden. – Obwohl, im Moment noch nicht. Erst wenn der neue (von den Grünen gebaute) Bahnhof steht. Heute würde es wohl eher vonseiten der Stuttgart21-Befürworter Sinn machen, ein kleines vor-silvesterliches Feuerwerk zu veranstalten – und somit den Abriss des alten Bahnhofs zu beschleunigen. Da stand ich also letztens am Bahngleis und wollte einfach nur meinen Müll entsorgen. Jetzt hat man aber so viele schöne Möglichkeiten zur Auswahl, wo man seinen Unrat endlagert. Mülleimer mit typisch deutscher Mülltrennung eben, drei Kategorien zur Auswahl: Verpackung, Restmüll oder Papier. Für den normalen Verbraucher kein Problem. Man müsste nur lesen können, was jedoch für die Mehrzahl der Menschen ein ernstzunehmendes Hindernis darstellt. Mein als „Verpackungsmüll“ klassifiziertes Exemplar sah sich in dem dafür vorgesehenen Behältnis mit einer Vielzahl von Papptellern und Bananenschalen konfrontiert. Und da kam mir urplötzlich der Gedanke: Was bitteschön macht ein einfacher, aber umweltbewusster und nachhaltig denkender Terrorist, der eine Bombe gebastelt hat, die sowohl Aluminiumbestandteile als auch größere Mengen an Dynamit beinhaltet? Jetzt will er das Ding in einem Mülleimer zwischenlagern. Soll er die Bombe als Verpackung werten? Oder doch lieber zum Restmüll? Das sind die Fragen, mit der sich Mustapha (oder Adolph) Normalterrorist konfrontiert sieht. Nun gut, am Ende der endlosen Mülltrennerei wird sowieso alles wieder gemischt und zu Klopapier verarbeitet. Oder zu Zement, mit dem man dann in erdbebengefährdeten Gebieten äußerst preiswert Häuser baut. Am besten nimmt der betroffene Verfassungsfeind geknickt, aber doch mit reinem Gewissen, sein Bömbchen wieder mit und verkauft es nach Afrika. Wie unsere gewiefte Bundesrepublik es vielleicht tun würde. Aber damit würde er der deutschen Waffenindustrie Konkurrenz machen. Am Ende würde er vielleicht sogar der Verfassungsschutz aufgespürt und angeklagt werden, wegen nicht lizensierten Verkaufens von Explosionsmaterialien an ein außereuropäisches Land im Kriegszustand.

Wieso all diese wirren und ergebnislosen Gedanken? Und überhaupt, was soll das alles schon wieder? Im Radio hört man nun wieder die alljährlichen Beiträge, die einem das Mit-dem-Strom-Schwimmen madig machen wollen und den Grad der Besinnlichkeit der diesjährigen Adventszeit analysieren. – Mit dem Ergebnis, dass es sich so verhält wie immer: Konsum, Stress, Werbung… null Besinnlichkeit eben. Keine Entspannung. Das Ziel von Weihnachten – verfehlt. Die wahre Aussage – unerhört.
Seien wir froh, dass es sie gibt: Die Weihnachtsmärkte verleihen unserem Konsum ein Gesicht. Sie geben der ganzen Sache mehr Stil, mehr Tradition.

Musik im Ohr

Ob Regen oder Schnee: Wir haben immer was zu meckern. Ist es mal kalt, dann ist es zu kalt. Ist es mal mild, dann ist es nicht kalt genug. Aber wenn es zu allem Überfluss auch noch regnet, dann geht sprichwörtlich die Welt unter.
Dabei ist alles doch nur eine Frage der Musik. Selbst wenn es wie aus Kübeln regnet, kann man sich einen kleinen Spaziergang gönnen: Mit „Sunshine Reggae“ von Bob Marley im Ohr, den entspannenden Klängen der Karibik und einem gemütlichen Wellenrauschen im Hintergrund schmeckt der herbstliche Nieselregen im Gesicht schon nahezu salzig. Der Duft von Algen liegt in der Luft, die Gedanken schweifen ab an die weißen Strände von Barbados, wo man selbst noch nie war und wahrscheinlich auch nie sein wird. Alles eine Frage der Hintergrundmusik.
Seit ich im Besitz eines nagelneuen MP3-Players bin – ich habe mich erst im Alter von 21 Jahren als würdig befunden, meinem Leben eine Hintergrundmusik zu verleihen – habe ich den Einblick in diese ganz Welt des Musikhörens gewonnen. Es ist erstaunlich, wie die Menschen im Bus, im Buchladen oder auf der Straße im Schein von Reaggae, Hardrock oder schottischer Dudelsackmusik aussehen. Komischerweise bildet man sich ein, sie würden sich alle im Takt bewegen. Oder sie sitzen nur still da. Im Takt.
Was auch erstaunlich ist: Alle anderen scheinen auch ihre Stöpsel im Ohr zu haben. Weiße Kabel, schwarze Kabel, kleine Stöpselchen, von Zeit zu Zeit enorme Kopfhörer. Das ist eine ganz eigene Subkultur!, habe ich gemerkt. Und plötzlich ist man irgendwie mit drin. Das Leben ist beeinflusst von Musik, die einen auf Schritt und Tritt begleitet. Wie praktisch. Hat man es eilig, morgens an die Uni zu kommen, hört man die klassische deutsche Marschmusik, wie etwa den Radetzky-Marsch oder Preußens Gloria. Kann ich nur empfehlen. Und dann geht’s im Stechschritt in Richtung Hochschulbildung, vorbei an kopfschüttelnden Mainstream-Musikkonsumenten. Abends, wenn man fortgeht, kann man sich mit den Böhsen Onkelz in die Welt des aggressiven Hardrock begeben – was einen allerdings aggressiv macht. Nicht gut. Zum Runterkommen eignen sich dann immer noch eher ein Reggae-Mix oder irgendwelche französischen Chansons, von denen man genug versteht, um angenehm berührt zu sein, aber doch zu wenig, um sich ernsthaft Sorgen machen zu müssen.
Musik ist extrem entspannend – und kann einen verrückt machen.
Gerne würde ich länger darüber philosophieren, dich die Realität hat mich um diese Aufgabe erleichtert:
Mein MP3-Player hat sich jedenfalls dazu entschlossen, eines Tages nicht mehr aus seiner Ekstase zu erwachen. Er blieb einfach irgendwie stecken, hat sich aufgehängt. Ich hatte nur eine Wahl: Lass ihn laufen, bis der Akku leer ist. Jetzt überlege ich verkrampft, wo ich die Garantie-Bescheinigung für dieses Ding hinverlegt habe, das sich kaum einen Monat und sechs Tage in meinem Dienst befand.

Wahrscheinlich sind manche Menschen nie reif, sich ihrem Leben auf Schritt und Tritt zu Musik zu verhelfen. Und andererseits, wie Ferdinand Müller zu sagen pflegte: Das Leben geht weiter.

Samstag, 3. Dezember 2011

Rechts

Die zeitgenössische deutsche Geschichtsschreibung wird in naher Zukunft noch vor größere Herausforderungen gestellt werden – das wird einem in diesen Tagen bewusst. Es geht hierbei jedoch nicht um die Wirtschaftskrise, sondern um ein Phänomen auf gesellschaftlicher Ebene: Terror von rechts.

Diese Szenen waren uns durchaus bekannt: Brennende Asylbewerberheime, randalierende Glatzen, zum Hitlergruß erhobene rechte Arme auf NPD-Kundgebungen auf dem Land, wo Kameras von Fernsehsendern nicht erwünscht waren, aber doch den ein oder anderen Blick erhaschen und auffangen konnten. Bis jetzt schien die rechte Szene weitaus übersichtlicher als so manche andere Abteilung in der Karteikartensammlung des Bundeskriminalamts. Man hatte hier und da seine Kontaktmänner, man wusste wo und wann ein Treffen brauner Kameraden geplant war. Man hörte mit, man las Emails – und man schien Bescheid zu wissen.

Sie wussten gar nichts. Und wenn doch, dann ist es ein Skandal.

Die Größe und Bedeutung der aktuellen Ereignisse und Ermittlungen werden uns in den nächsten Monaten – und Jahren – bewusst werden. Heute können wir uns nur schwerlich an den Gedanken gewöhnen, dass es in unserem guten Deutschland eine mindestens dreiköpfige Terrorbande gab, die mordete, zündelte und Bomben bastelte. – Ich meinerseits kam erst jetzt dazu, zu realisieren, dass es in Deutschland Bombenanschläge gab, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Durch die Nachrichten sind wir verblendet. Der Terror durch Explosionsmaterialien erreichte höchstens das „siebzehnte Bundesland“ Mallorca. Doch nachdem die ETA im Oktober dieses Jahres das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündet hat, ist (hoffentlich) auch dieses Kapitel Geschichte geworden. – Bis wohin werden die Behörden jedoch in Deutschland die blutige Spur des Naziterrors zurückverfolgen können? Hoffentlich bis an ihren Ursprung.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sind für den Tod von mindestens 10 Menschen verantwortlich. Sie haben aus Hass gemordet – Hass auf Menschen, die anders, die fremd waren. Im Moment ist noch nicht geklärt, wie viele Opfer der dreiköpfige NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) auf seiner Rechnung hat. Es ist jedoch eine Liste aufgetaucht mit 88 Namen. Achtundachtzig – eine symbolische Zahl mit hohem Wert für die neonationale Szene in Deutschland. Die zwei Ziffern stehen für den achten Buchstaben des Alphabets und bedeuten „Heil Hitler“.

Der Zwickauer Kreis umfasste jedoch nicht nur diese drei Personen, von denen zwei tot sind und die dritte in Untersuchungshaft sitzt, sondern spannte sich wahrscheinlich viel weiter. Böhnhardt und Mundlos gehörten dem „Thüringer Heimatschutz“ – einer ostdeutschen rechtsextremen Organisation und Sammelsurium verschiedener Kameradschaften – an und waren Vorsitzende dessen Jenaer Sektion. Sie waren der Polizei in Jena bekannt. Nun wird deutlich, dass die drei nicht isoliert vom Rest der rechten Szene lebten, sondern wahrscheinlich Unterstützer hatten. Wie schon die RAF hatten auch sie Helfer, die ihnen Papiere besorgten und Wohnwägen anmieteten. Der Sprengstoff von verschiedenen Anschlägen stammte aus Einbrüchen in Bundeswehr-Depots. Auch hier könnten die Terroristen Helfer gehabt haben.

Bei den drei Mitgliedern des NSU handelte sich nicht um einfache Kriminelle oder um Einzeltäter. Es war ein Netzwerk.

Vor kurzem wurde der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben verhaftet. Er soll dem Trio Waffen und Munition beschafft haben. Erneut wurde die Frage laut, inwiefern die NPD mit dem aktiven rechten Terror in Verbindung steht. Die Ermittlungen laufen noch. Doch eines scheint sicher zu sein_ Dieses Mal geht es der NPD an den Kragen. Ein neues Verbotsverfahren wird in Erwägung gezogen, ja, sogar lautstark gefordert von allen Seiten. Dieses Mal wird es klappen.

Wie naiv waren wir? Wie naiv war unsere Regierung? Nicht nur die jetzige – ob schwarz-gelb oder rot-grün, es macht keinen Unterschied. Versäumnisse auf allen Ebenen zu allen Zeiten und Legislaturperioden. Die NPD wurde für einen Verein gehalten, der sowieso durchwandert ist von V-Männern des Verfassungsschutzes und von dem keine Gefahr mehr ausginge. Viel wichtiger waren der öffentlichen Wahrnehmung immer die linken Störenfriede, die Steine auf G8-Gipfel warfen oder Häuser besetzten. In Dresden wurde im Februar 2011 ein von Linken bewohntes Haus (Hausprojekt „Praxis“) von dutzenden randalierenden Nazis angegriffen – bei Tageslicht, mit Steinen, Flaschen und Gegröle – die Polizei war anwesend: Sie regelte im Hintergrund den Verkehr.

Wie lange können wir es uns noch erlauben, so naiv zu sein? Wie lange haben wir es uns schon erlauben können, über ein NPD-Verbot nachzudenken und den Gedanken dann zu verwerfen? „Ach nein, dann würden die Nazis alle in den Untergrund abtauchen.“ – Besser ist es doch, wenn man eine NPD hat, die den Rechten was zu wählen gibt, die vom Verfassungsschutz durchwandert ist, die man an der kurzen Leine halten kann (oder könnte). Dass es im Untergrund schon Gruppierungen gibt, die sogar Menschen aus politischer Überzeugung ermorden, das schien den naiven Bürokraten wohl undenkbar. Nicht nur Islamisten predigen in Hinterhöfen, auch Nazis tun das. Und die tun es sogar auf Schulhöfen, mit dubiosen, volksverhetzenden Schulhof-CDs, auf denen Schüler jene Lieder hören können, die auf Youtube schon verboten sind. Oder zumindest verboten sein sollten.

Unsere Gesellschaft ist dabei, einer Krise nach der anderen um Haaresbreite zu entkommen. Man muss überall einen spezifischen Weg einschlagen, um diese Krisen in den verschiedenen Bereichen dieser Gesellschaft zu meistern. Und in diesem speziellen Fall geht es um die Erhaltung unserer Demokratie – indem man demokratiefeindliche, volksverhetzende und terroristische Elemente ausmerzt. Deshalb sollten wir fordern:

NPD-Verbot sofort!

Sollen solche Menschen wie Beate Z., Uwe und Uwe doch in den Untergrund abtauchen! Solange sie kein Geld mehr vom Staat bekommen, das sie durch NPD-subventionierte Waffenlieferungen beziehen, ist das unser kleinstes Problem. Man darf Nazis keine Chance geben, in das innerste unserer Demokratie vorzudringen: in die Parlamente. Man darf ihnen keine Möglichkeit geben, sich zu etablieren!

Wir müssen endlich aufwachen aus unserem naiven Schönheitsschlaf. Das Randgebiet der politischen Welt in Deutschland besteht eben nicht nur aus nietengürtelbekleideten Linken, die ab und an den ein oder anderen Stein auf das „Kapitalistenschwein“, den Polizisten, werfen. Denn es gibt auch sie: Die ideologisch gefestigten, planvoll agierenden und mitunter mordenden Nazis.

Diese Realität tut weh. Doch wir müssen sie wahrnehmen und dementsprechend reagieren - vernünftig, gut überlegt, aber konsequent.